Vestibularisparoxysmie
Eine Vestibularisparoxysmie bedeutet übersetzt etwa “dem Gleichgewichtsnerven zu nahe kommen”, und beschreibt einen Konflikt, Kurzschluß oder Kontakt von einer Ader und dem Hör – und Gleichgewichtsnerven.
Die Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Neurologie definiert eine Vestibularisparoxysmie wie folgt:
48.4 Vestibularisparoxysmie
Klinik
Die Vestibularisparoxysmie ist durch folgende Merkmale charakterisiert (Brandt u. Dieterich 1994, Hüfner et al. 2008):
- rezidivierende, kurze, meist nur Sekunden, selten bis Minuten dauernde Drehschwindelattacken (selten Schwankschwindel), die meist spontan bis zu 30-mal pro Tag auftreten
- manchmal Auslösbarkeit der Attacken durch bestimmte Kopfpositionen, Hyperventilation oder Beeinflussung der Attacke durch Änderung der Kopfposition
- selten einseitiger Tinnitus oder einseitige Hörminderung während der Attacken oder im Intervall
- im Verlauf bei etwa 20 % der Patienten leichte vestibuläre und/oder kochleäre Defizite geringer Ausprägung im Intervall in den neurophysiologischen Funktionstests (Audiogramm, AEP, kalorische Testung)
- Besserung oder Abklingen der Attacken durch Carbamazepin/Oxcarbazepin (bereits in niedriger Dosis)
- kein Vorliegen von zentralen vestibulären, okulomotorischen oder zerebellären Störungen oder Hirnstammzeichen
- durch Hyperventilation lässt sich bei über 50 % der Patienten ein Spontannystagmus provozieren (Hüfner et al. 2008)
Für die Erkrankung gibt es keinen beweisenden einzelnen Befund. Sind die o.g. Kriterien erfüllt, ist die Diagnose sehr wahrscheinlich (Brandt u. Dieterich 1994, Hüfner et al. 2008).
Kommentar zur Leitlinie
Aktuell haben wir es mit einer sogenannten S1 Leitlinie zu tun. Es handelt sich hier um keine anerkannte Definition, sondern um eine Grundlage, die zu überarbeiten ist. Diese Leitlinienqualität ist eine Expertenmeinung ohne Review der aktuellen Literatur.
Es gibt hier aber auch noch andere Symptome
Man muss hier über den Tellerrand schauen: Siehe folgender Artikel aus einer radiologischen Fachzeitschrift:
AJNR Am J Neuroradiol ●:● ● 2016 www.ajnr.org 9
Published February 18, 2016 as 10.3174/ajnr.A4683
Imaging of Neurovascular Compression Syndromes: Trigeminal Neuralgia, Hemifacial Spasm, Vestibular Paroxysmia, and Glossopharyngeal Neuralgia X S. Haller, X L. Etienne, X E. Ko ̈vari, X A.D. Varoquaux, X H. Urbach, and X M. Becker
Vestibulocochlear Nerve (CN VIII)
…The site of NVC can vary between 0.0 and 10.2 mm from the brain stem, and in most cases (75%), the AICA is the compressing vessel.56 The recording of action potentials of the cochlear nerve during microvascular decom- pression has demonstrated that the site of NVC correlates well with clinical symptoms.55 Ryu et al55 have shown that vertigo appears to be associated with vascular compression of the ros- troventral nerve (vestibular nerve), while tinnitus appears to be associated with compression of the caudal surface (cochlear nerve) of the nerve (Fig 9). In patients with both vertigo and tinnitus, the authors found compression of both the vestibular and cochlear nerves.5 5 …
Die Autoren haben gemerkt, dass nicht nur der Kontakt, sondern auch die Stelle des Kontaktes über die Symptome entscheidet, ob es zusätzliche Symptome und welches Symptome es gibt.
11.03.2014 | Neuro Update 2014 | Nachrichten | Onlineartikel
Riskanter Blick nach obenSchwindelattacken: Wenn Gefäße auf den 8. Hirnnerv drücken
Nerv kann sowohl über- als auch untererregt sein
In einer aktuellen Analyse von 20 Patienten mit vestibulärer Paroxysmie ließen sich bei sechs – also knapp einem Drittel – Zeichen einer gleichzeitigen Über- und Untererregbarkeit des Vestibularnervs feststellen. Zudem war bei drei Viertel aller Patienten in der Untersuchung die Kompression des 8. Hirnnervs durch eine AICA-Schlinge bedingt, bei einem Patienten durch einen Kontakt mit der Arteria cerebelli inferior posterior (PICA), bei zwei durch einen Kontakt mit der A. vertebralis, und bei ebenfalls zwei Patienten löste eine Vene die Symptome aus. Interessanterweise zeigte auch ein Drittel der Patienten aus einer Kontrollgruppe mit Trigeminusneuralgie einen Gefäßkontakt mit dem N. vestibulocochlearis. Daraus schließt Dieterich, dass ein solcher Kontakt gar nicht so selten ist, und in der Regel auch keine Folgen hat. In der Kontrollgruppe traten zumindest keine vestibulären Beschwerden auf.
In dieser Arbeit wird demonstriert, dass völlig widersprüchliche Befunde in der Diagnostik auftreten können
Auch finden sich in der Literatur häufig Hinweise darauf, dass zunächst der Sekundenschwindel kommt. Im Laufe der Zeit verändert sich der Schwindel und es kommt zu Dauerschwindel. Später kommt es dann zusätzlich zu Hörverlusten, so dass Neurochirurgische Arbeiten empfehlen, zu operieren, bevor es zu Hörverlusten kommt. Andere Arbeiten geben sehr schlechte Ergebnisse von Operationen an.
Früher ging man nur von Problemen am Austtrittpunkt des Nerven am Hirnstamm aus, letzte Arbeiten sehen deutliche Probleme, wenn der Gefäßkontakt im inneren Gehörgang liegt.
In den meisten Fällen läßt sich das Krankheitsbild medikamentös gut behandeln. Operationen sind nur in Ausnahmefällen eine Option.
In den letzten Jahren kommt durch die großen Fortschritte der Radiologie diesem Krankheitsbild eine wesentlich größere Bedeutung zu, als zuvor.
Ich persönlich halte diese Gefäß / Nervenkonflikte verantwortlich für viele ‘Neuropathien’, ‘Hörstürze’, ‘Lagerungsschwindel’ oder ‘Menierè’ Diagnosen. Es ergeben sich damit auch völlig neue Behandlungsanstätze für die betroffenen Patienten.